Morgen ist Heiligabend. Moritz war schon ganz aufgeregt, ich selbstverständlich auch, denn ich war gespannt, wie dieses Weihnachten wohl ablaufen würde. Leider hatte Moritz Mama gemeint, alle Spielsachen müssen im Kinderzimmer bleiben, der Fernseher bleibt aus und Moritz muß ganz brav sein. Das Christkind würde sonst verschreckt werden und dann auch keine Geschenke bringen.
So,… das wars dann wohl. Ich bin schließlich in den Augen der Mama ein Spielzeug.
Aber ich würde so gerne den Christbaum sehen und auch das Christkind. Moritz hat mir so viel von diesem besonderen Tag erzählt. Ich war so gespannt. Jetzt war ich unendlich traurig. Wenn Gespenster traurig sind, dann können sie nicht mehr schweben und auch nicht mehr durch Wände gehen. Außerdem wollte ich auch nichts mehr essen. Moritz meinte, ich wäre total durchsichtig und hatte Angst um mich.
Er meinte, ihm würde schon etwas einfallen, um mich in das Weihnachtswohnzimmer mitnehmen zu können. Er überlegte und überlegte, nahm das Fotoalbum vom letzten Weihnachtsfest aus dem Regal und blätterte und blätterte. Immer wieder. Plötzlich sprang er von seinem Stuhl und freute sich laut: „ich habs Fridolin, ich habs! Du wirst ein Engel!“
Ein Engel? Was war das denn schon wieder? Moritz erklärte mit vielen Worten, dass ein Engel Flügel hatte und fliegen konnte. Als ob das schon was wäre, dachte ich. Ich schwebe, das ist nicht so anstrengend wie mit Flügeln zu schlagen.
„Ja und schau mal auf das Bild“ meinte Moritz und hielt mir ein Foto unter meine nicht vorhandene Nase. „Schau Fridolin, auf der Spitze des Christbaums sitzt jedes Jahr ein Engel! Ich bastel dir Flügel, die klebe ich dir auf den Rücken und dann bist du die neue Christbaumspitze.“
Nun ja, Begeisterung sieht anders aus, aber besser als Engel auf dem Christbaum zu sitzen, als im Kinderzimmer eingesperrt zu sein.
Moritz machte sich ans Werk. Er holte Papier, Bleistifte, Kleber und Federn, die er aus einem Sofakissen zupfte. Dann malte er Flügel auf das Blatt und schnitt sie aus. Mama kam ins Kinderzimmer und freute sich, dass Moritz sich mit Bastelarbeiten beschäftigte. Sie fragte, was das wohl werde und Moritz meinte: „Das wird eine Überraschung, liebe Mama!“
Mama lächelte und ging in die Küche. Hmmmm, wenn sie wüßte, was Moritz im Schilde führte.
Nun gut, die Flügel lagen ausgeschnitten auf dem Tisch. Moritz betrachtete sie zufrieden, nahm sie und kam zu mir. Er hob mich hoch, drehte mich auf den Bauch und drückte die Flügel auf meinen
Rücken. „Passt“, meinte er, legte mich wieder zurück und ging zum Tisch. Ich beobachte, wie er einen Flügel mit Kleber einstrich und die Federn darauf verteilte. Das gleiche wiederholte er mit dem 2. Flügel.
Er meinte:“Fridolin, wenn die Flügel getrocknet sind, dann müssen wir sie an deinem Rücken befestigen. Ich wurde noch bleicher als ich war, denn ich ahnte Fürchterliches.

