Geistertreffen (Der Beginn – Kapitel 28)

Ich konnte es kaum erwarten aufzustehen. Endlich war es soweit, es war hell und der Tag lud zu neuen Abenteuern ein. Moritz war schon auf und beim Frühstück. Es sollte ein betriebsamer Tag werden für Moritz Familie, schließlich ist morgen Heiligabend und es war noch viel vorzubereiten.

Für mich war es wunderbar, so fiel es nicht auf, wenn ich ein paar Stunden außer Haus sein würde. Jetzt war es Zeit, mich ausgehfein zu machen. Ich nahm die Bürste von Moritz Mamas Spiegeltisch und bürstete mein Geisterfell. Ich wollte ja einen guten Eindruck auf Onkel Kunibert machen. Welche Geister wohl noch dabei sein würden?
Ich war richtig aufgeregt und wartete ungeduldig darauf, dass Moritz endlich zu Bett ging. Endlich, er schlüpfte unter die Bettdecke, Papa und Mama beteten mit uns, gaben uns den gewohnten Gutenachtkuss und machten das Licht aus. Moritz erzählte noch eine ganze Weile aufgeregt von dem heutigen Tag und wie sehr er sich auf das Christkind freute. Endlich schlief er ein und ich konnte aus dem Bett schlüpfen.
Jetzt war es aber auch Zeit, ich wollte schließlich nichts verpassen. Ich kämmte mich nochmal, schwebte zum Spiegel und begutachtete mich. Ja, Fridolin, dachte ich….du kannst dich sehen lassen.

Jetzt geht es los! Ich schwebte durch die Wand auf die Straße. Es war ja nur ein kurzer Weg zur Kirche und schwubs war ich auch schon dort. Hmmm, alles war noch ruhig. Ich sah Niemanden. Doch da waren ein Tisch und etliche Stühle. Ich setzte mich hin und wartete aufgeregt. Es standen mehrere Flaschen auf dem Tisch. Ich kannte das von Moritz Papa. Wein? Ja, Wein mit einem Kreuz drauf. Konnte das der Messwein sein, von dem Moritz Eltern nach dem Kirchenbesuch sprachen? Schon praktisch, was es so alles in einer Kirche gibt! Dann hieß es abwarten.

Plötzlich knarrte es auf der Kirchturmtreppe hinter mehr.
Ich drehte mich um und da war er. Onkel Kunibert! Er schwebte auf mich zu und umarmte mich. „Mein lieber kleiner Fridolin, wie ich mich freue, dass du da bist!“ er drückte mich fast genauso fest, wie Moritz. Ich freute mich sehr, endlich Onkel Kunibert zu sehen.
Ihr müßt wissen, auch wenn ich jetzt einen Stoffkörper habe, uns Gespenster gibt es schon ganz viele Jahre. Onkel Kunibert dürfte schon 200 Jahre alt sein. Er sieht aber immer noch richtig gut aus, aber Geister verändern sich ja auch kaum.
So langsam füllte sich der Kirchturm. Immer mehr große und kleine Geister schwebten herum. Ich war richtig aufgeregt. Onkel Kunibert erklärte mir, welche Geister anwesend waren und in welchen Häusern oder Kellern sie lebten. Das war sehr interessant. Plötzlich kam ein kleinerer, aber dicker Geist zu uns herangeschwebt. Er hatte ein dicke goldfarbene Kette um den Bauch. „Achtung Fridolin,“ flüsterte Onkel Kunibert, „das ist Ludwig, das Schlossgespenst, nur er darf die goldene Kette tragen. Er ist unser aller Chef.“
„Aha, du bist also der Fridolin, von dem Kunibert mir erzählte. Er meinte, du willst ein Schlossgespenst werden. Stimmt das denn?“ fragte mich der dicke Geist. „Oh ja, von Herzen gerne, doch das Schloss ist so modern und außerdem bist du ja schon das Schlossgespenst!“ fügte ich geknickt hinzu. „Fridolin, das ist schon richtig, doch in einem Schloss braucht es mehrere Gespenster. Da gibt es viele Besucher, die gespannt auf Gespenster warten und da habe ich viel zu tun. Ein zweites Schlossgespenst und dazu noch jünger wäre eine Entlastung für mich!“ sagte das Dickerchen.
Ich war begeistert: „das wäre so schön, wann soll ich denn anfangen?“ fragte ich gespannt. Doch Ludwig meinte: „Zuerst muss ich dir ein Zimmer im Gewölbekeller einrichten, dann einen Lehrplan erstellen. Sobald das alles getan ist, kannst zu deine Lehre bei mir beginnen.“

„Eine Lehre, was ist das?“ fragte ich den dicken Ludwig. „Ja glaubst du, man wird von Heute auf Morgen Schlossgespenst? Das ist nicht so einfach. Du musst lernen, wie man mit den Ketten rasselt, wen du erschrecken darfst und wen nicht, außerdem wo du plötzlich erscheinen kannst und wo nicht. Ich habe viele Jahre gelernt. Meinst du, das schaffst du?“ Ich nickte eifrig und meinte: „ja lieber Ludwig, das möchte ich gerne, denn in meiner Zukunft möchte ich Schlossgespenst sein. Aber ist da
noch Zeit für meinen kleinen Moritz? Ich hab ihn nämlich sehr lieb gewonnen und möchte ihn nicht verlassen.“

Ludwig nahm mich in den Arm und sagte: „du wirst ein tolles Schlossgespenst, denn du hast das Herz auf dem rechten Fleck. Nur wer jemanden liebt, der wird auch geliebt. Moritz wirst du nie verlassen. Wir Geister brauchen doch keinen Schlaf. Deine Arbeit beginnt jeden Tag um Mitternacht, somit hast du tagsüber alle Zeit der Welt für das kleine Menschenkind und nachts wird er dich nicht vermissen.“

Das zu hören machte mich froh. Ich freue mich sehr auf meine Schlossgespensterlehre. Vielleicht erzähle ich euch mal davon.
Ich hab Moritz lieb und Euch natürlich auch, sonst würde ich euch das nicht alles erzählen!