Blätter und Kastanien (Der Beginn – Kapitel 14)

Heute ist ein schöner Tag, sonnig, aber kalt. Moritz hat mir versprochen, dass wenn er aus der Schule kommt und seine Hausaufgaben gemacht hat, mit mir nach draußen zum Spielen geht. Es ist mittlerweile Herbst, wie er mir erklärt hat und die Blätter fallen von den Bäumen. Er wollte mir was zeigen.

Ich war schon ganz gespannt und konnte es kaum erwarten. Wie es so ist, wenn man eine Weile so dasitzt und wartet, wird man ein bisschen müde und es fallen einem die Augen zu.

Plötzlich packte mich ein kleiner Arm und eine Stimme sagte: „Hallo kleine Schlafmütze, aufstehen. Ich bin mit meinen Hausaufgaben fertig, lass uns endlich rausgehen.“ Ich machte die Augen auf und sah lächelnd meinem lieben Moritz ins Gesicht. Ich freute mich auf unser gemeinsames Abenteuer im Garten.

Moritz erklärte mir, wir würden in den Stadtgarten gehen, denn er ist ja jetzt ein Schulkind und hatte die Erlaubnis der Eltern alleine dorthin zu gehen, mußte aber bis Eintritt der Dunkelheit wieder zurück Zuhause sein.

Im Stadtgarten angekommen sahen wir viele Bäume, die schon fast entlaubt waren. Sieht komisch aus, dachte ich.  Mein kleiner Mensch erklärte mir, dass jetzt, in der kälteren Jahreszeit das Laub von den Bäumen fällt. Er fing an zu erzählen: „Im Herbst färben sich die Blätter der Laubbäume bunt und fallen schließlich ab. Unsere Lehrerin hat gesagt, dass nur die Nadelbäume grün bleiben, auch im Winter. Interessant, gell lieber Fridolin? Weißt du auch warum?“ Ich muß Moritz ziemlich interessiert angesehen haben, obwohl ich lieber spielen wollte. Aber ich wollte mein Menschenkind auch nicht unterbrechen. Das tut ein gut erzogener Geist schließlich auch nicht. Also ließ ich ihn weiter sein Wissen erklären. „Da über die Blätter der Laubbäume ständig Wasser verdunstet, müssen Bäume viel trinken. Im Winter ist das Wasser im Boden aber meist gefroren und deshalb für die Pflanzen nicht verfügbar. Was machen also die Bäume? Sie werfen ihre Blätter rechtzeitig vor dem Winter ab. Ohne Blätter kann ein Baum lange mit wenig Wasser auskommen. Im Herbst entzieht der Baum den Blättern alle Nährstoffe und verschließt die Blattstiele. Jetzt sind die Blätter von der Wasserversorgung abgeschnitten. Sie werden bunt, welken und fallen schließlich ab. Im nächsten Frühjahr bildet der Baum wieder neue Blätter. Die Nadelbäume….“ Jetzt wurde es mir zuviel, denn ich verstand absolut nichts. Ich wollte schließlich spielen. Also zappelte ich etwas und ließ mich aus Moritz Arm auf den Boden fallen. Endlich! Ist ja schön, dass Moritz so viel in der Schule lernt, aber jetzt interessierten mich die herabgefallenen Blätter mehr. Ich rutschte ein bisschen hin und her in dem mit bunten Blättern übersäten Boden und hörte fasziniert, dass bei jeder Bewegung ein lustiges Rascheln ertönte. Das war lustig! Ich rutschte immer tiefer in einen Blätterhaufen und freute mich. Inzwischen hörte ich Moritz rufen: „Fridolin, wo bist du denn? Komm raus, es wird gleich dunkel, wir müssen heim!“ Ich hatte nicht nicht so rechte Lust jetzt nach Hause zu gehen. Es war so schön hier. Naja, ich weiß ja, dass mein kleiner Mensch sich Sorgen macht, daher wollte ich aus dem Blätterhaufen herausschauen und ihn beruhigen, dass ich nicht verschollen bin. Also grub ich mich heraus und als ich gerade mit dem Kopf aus den Blättern herausschaute, fiel mir etwas Hartes auf meinen Geisterschopf….und nochmal. Das tat weh und ich rief laut: „Aua, was ist das denn? Wer wirft denn da nach mir?“ in dem Moment kam meine Lieblingsmensch auf mich zu und sagte: „Da bist du ja kleiner Fridolin, ich hatte schon Angst, du bist verloren und ich finde dich nicht mehr! Wie siehst du denn aus? Du bist ganz schmutzig und eine Beule hast du auch auf dem Kopf. Ja, vor herabfallenden Kastanien muß man sich im Herbst in Acht nehmen. Aber weißt du was? Ich habe ein paar gesammelt und morgen Nachmittag werden wir zusammen basteln. Das wird die gefallen. Jetzt aber ab nach Hause. Ich denke du wirst heute in die Waschkiste müssen, so schmutzig wie du bist!“ Das waren ja keine erfreulichen Aussichten. Wieder mal in die Waschkiste und das mit den Kopfschmerzen, die mir die Kastanien verpasst haben. Aber es war trotzdem ein schöner Nachmittag, den ich mit meinem Moritz verbracht habe und ich bin stolz, dass das Kerlchen mittlerweile so gescheit ist.